Am Abend des 19. Februar fuhr der offenbar psychisch schwer gestörte und von Verschwörungstheorien überzeugte Tobias R. zu einer Shisha-Bar und einem Kiosk in Hanau, erschoss 9 Menschen und verletzte viele weitere schwer. Anschließend wird er neben seiner ebenfalls toten Mutter tot zu Hause aufgefunden. Vorab hatte Tobias R. ein Manifest veröffentlicht, dass u.a. radikal rassistsche Bestandteile aber vor allem auch wüste Verschwörungsweltbilder enthält
Daraufhin entspannte sich eine schwierige öffentliche Debatte, zu der ich heute gerne einen Beitrag leisten möchte.
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Ich gebe jetzt mal meinen etwas längeren Senf zum Thema. Zum ersten Part, deiner Einschätzung des Täters, gibt es gar nicht viel zu sagen. Das deckt sich ziemlich mit meiner eigenen Einschätzung. Man kann jetzt auch nicht sagen, ohne die AfD wäre diese Tat nicht geschehen. Dennoch kann und will ich die AfD nicht von einer Mitschuld freisprechen. Wie du richtig erwähnt hast, bauen sich derart psychisch auffällige Personen ihr Weltbild recht krude zusammen und adaptieren dann halt auch gerne Ideologien.
Du sagst, es klingt für dich eher so, als hätte sich der Täter bei Hitler und nicht bei neurechten Ideen bedient. Hier möchte ich gerne einmal dein Augenmerk auf den 2018 erschienenen Gesprächsband „Nie zweimal in denselben Fluss“ Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Hennig richten. Ich verlinke mal eine Buchbesprechung dazu – und zwar den zweiten, interessanteren Teil. Und dann möchte ich dich bitten, das mit dem Manifest des Täters zu vergleichen. Ich habe das Manifest selber nicht gelesen sondern nur Auszüge. Mehr will ich mir da nicht antun. Ich habe auch den Gesprächsband von Höcke mit Henning nicht gelesen sondern ebenfalls nur Auszüge. Für mich tun sich da jedoch Parallelen auf. Das Tätermanuskript ist radikaler, aber die Richtung und teilweise auch die Wortwahl ist sehr ähnlich. Wobei sich Höcke natürlich auch bezüglich seiner Wortwahl eng am Nationalsozialismus ausrichtet. https://gegneranalyse.de/politische-visionen-von-bjoern-hoecke-gewalt-als-option/
Was nun ein Verbotsverfahren der AfD angeht, ich hatte das bis vor einiger Zeit ebenfalls eher ablehnend gesehen. Meine Frau fragte mich dann vor ein paar Wochen, warum die AfD nicht verboten wird. Ich habe damals einen kleinen Vortrag darüber gehalten, dass man zum einen in einer Demokratie auch gegenteilige Meinungen aushalten muss, dass Verbotsverfahren darüber hinaus auch nach hinten losgehen können, denn wenn sie scheitern, ist das Scheitern eine zusätzliche Legitimation und dass ich es als sinnvoller erachte, sich auf ziviler gesellschaftlicher Ebene gegen diese Partei stellen. Allerdings hat die Frage meiner Frau bei mir Denkprozesse angestoßen. Am Donnerstag bin ich dann auf einen Artikel über ein rassistisches Malbuch des NRW AfD Landesverbandes gestoßen und das war der Moment, in dem ich erstmals meinen Wunsch nach einem AfD-Verbot formuliert habe. Als ich das fertig geschrieben hatte, habe ich wenige Minuten später von der Amoktat in Hanau erfahren. Mein Wunsch nach einem AfD Verbot ist also nicht durch diese Tat entstanden sondern in den Wochen zuvor langsam gereift.
Du sagst, wenn man die AfD verbietet, sind die Mitglieder nicht weg. Das ist natürlich richtig. Allerdings nimmt man diesen Menschen damit einen Großteil ihrer Bühne und man nimmt ihnen die Legitimation. Das empfinde ich als sehr wichtig. – Wenn jetzt die Tat in Hanau Auslöser für eine Debatte um ein AfD Verbot ist, so geht das zwar am eigentlichen Kern vorbei, warum die AfD verboten gehört, es ist im Prinzip jedoch egal. Das Entscheidende ist, dass diese Debatte überhaupt stattfindet.
Ich stimme mit dir übrigens überein, dass die AfD durch den Verfassungsschutz beobachtet gehört. Was jetzt nicht geschehen sollte, ist ein mit der heißen Nadel gestricktes Verbotsverfahren. Wenn ein solches Verfahren eingeleitet wird, muss es auch wasserfest sein. Dafür braucht es vorweg den Verfassungsschutz und der muss Gelegenheit bekommen, genügend Material für ein Verbotsverfahren zusammenzutragen. Meiner Meinung nach gehört die AfD umfassend mit allen zur Verfügung stehenden geheimdienstlichen Methoden beobachtet. Auch nicht nur einzelne Personen oder der Flügel sondern komplett.
Ich bin fest davon überzeugt, dass große Teile der AfD unsere demokratischen Mechanismen dazu missbrauchen wollen, um Demokratie abzuschaffen. Das Ziel ist eine Einparteiengesellschaft vergleichbar mit den Nationalsozialismus und der NSDAP. Wenn man sich die Schriften Höckes anschaut, läuft es genau darauf hinaus. Und Höcke steht damit nicht allein. Es gibt Aussagen hochrangiger AfD Funktionäre, die sich dem anschließen.
AfD Sympathisanten argumentieren häufig damit, die AfD sei eine demokratische Partei, weil sie demokratisch gewählte wurde. Aber das ist ein Trugschluss. Eine klassische Nebelkerze. Man wird nicht demokratisch durch eine Wahl sondern durch ein ernsthaftes Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung. Und das fehlt bei der AfD.
Eine Demokratie ist für mich die beste aller Gesellschaftsformen, sie hat aber auch Nachteile. Einer davon ist die Anfälligkeit für Unterwanderung. Daran können wir auch nichts ändern, denn wir würden damit die Freiheit untergraben. Umso wichtiger ist es, achtsam auf Unterwanderung zu achten und wenn man sie dann erkennt, dieser auch wehrhaft entgegenzutreten. Das darf auch nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Wir müssen dann gemeinsam, also Gesellschaft und Staat gleichermaßen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zurückschlagen. Und das läuft letztlich dann auf ein Verbot hinaus. Ein Verbot kann jedoch nur wirksam Bestand haben, wenn es von Staat und der Zivilgesellschaft gleichermaßen getragen wird.
Die AfD redet gerne vom Volkszorn. Wenn nun Hanau dazu beiträgt, diesen Volkszorn gegen die AfD zu wecken, dann begrüße ich das. Vielleicht ist es unfair, das interessiert mich in dem Fall jedoch nicht. Schon deshalb nicht, weil die AfD auch nicht fair spielt. Wenn dich aber jemand die ganze Zeit bescheißt und belügt, dann muss man halt die Chancen nutzen, die einem geboten werden und dazu gehört es dann auch, eine verbrecherische Tat zu instrumentalisieren und die damit verbundenen Emotionen in die richtigen Kanäle zu lenken.
Danke für dein ausführliche Feedback.